Man schrieb das
Jahr 1939. Es herrschte noch Frieden in Deutschland. Doch Einflüsse der
Machthaber des sogenannten Tausendjährigen-Reiches hatten längst die Dörfer
erreicht. Schon lange waren in den Schulzimmern die Kreuze abgehängt und
durch Führerbilder ersetzt worden. Der Religionsunterricht wurde in den
Schulen noch erlaubt. Es war das Jahr der Firmung. Eine Gruppe Buben und
Mädchen aus drei Schulklassen wurde vom Ortspfarrer Johann Baptist Stadler
auf das heilige Sakrament vorbereitet. Dazu wurden extra Unterrichtsstunden
in der Sakristei der Pfarrkirche in Hofkirchen angesetzt.
Aus parteilichen Gründen durften dazu die Schulzimmer nicht benutzt
werden. Wieder hatte man sich an einem schönen Frühlingstag in der düsteren
Sakristei versammelt, die provisorisch mit Bänken und Schemeln ausgestattet
wurde.
Der gestrenge
Pfarrer nahm mit den Kindern die Fragen des Katechismus durch. Diese Fragen
und Antworten waren neben Bibelkenntnissen unverzichtbarer Bestandteil des
Religionsunterrichts. Gerne scharte der hochwürdige Bischof die Firmanwärter
im Presbyterium der Mallersdorfer Kirche um sich, um sie vor Erteilung des
Sakraments in den Katechismusfragen zu examinieren. Jedes Kind musste
zwischen den Fingern der gefalteten Hände den Firmzettel tragen. Darauf
standen Name und Pfarrei des Kindes. Der Bischof und sein Adjutant achteten
schon darauf, ob die Pfarrer ihre Schäfchen auch würdig abgerichtet hatten.
So war es verständlich, dass die Dorfpfarrer besonderen Wert auf diesen
Unterricht legten.
Die Dirndl saßen
brav und sittsam auf ihren Stühlchen und folgten den Ausführungen des
Geistlichen. Die meisten Buben blickten aber wehmütig zu den kleinen
vergitterten Fenstern, durch die die warme Maiensonne schien. Viel lieber
wären sie jetzt beim Prackln oder Reiftreiben gewesen. Frage um Frage wurde
aus dem abgegriffenen Katechismusbüchlein behandelt. Vor allem die Fragen
zum Heiligen Geist, der dritten Person in Gott und der Heiligsten
Dreifaltigkeit wurden ausgiebig behandelt. Während seinen Ausführungen
agierte der Pfarrer mit einem Zeigestock. Durch seine runden Brillengläser
war es ihm nicht entgangen, dass es ein paar Buben in den hinteren Reihen an
der nötigen Aufmerksamkeit fehlte.
„Wer ist der
Heilige Geist?“ fragte er in die Runde und fuhr mit seinem Stock kreisend
über die Köpfe der Kinder. Gleich schnellten ein paar Finger der Dirndln
in die Höhe. „Wer ist der Heilige Geist?“ wiederholte er um einen
halben Ton höher. Auch die Einserschüler hatten jetzt schon ihre Finger
gehoben. Von denen wollte der Pfarrer aber die Antwort nicht wissen. „Wer
ist der Heilige Geist?“ Wie mit einem Degen fuchtelte er mit dem
Haselnußsteckerl umher und zeigte mit einem geraden Stoß auf den Soller
Hans. Dieser war in Gedanken weit entfernt und träumte vom Fußballspielen.
Geübt in
schulischer Disziplin sprang er sofort von seinem Schemel auf, begab sich in
militärische Hab-Acht Stellung: „Der Heilige Geist ist ...“ kam die Antwort.
Dabei nickte er als wäre die Antwort ganz tief unten in seinem Halse und er
brächte sie nur nicht heraus: „Der Heilige Geist ist ...“ –
„der Heilige Geist ist ...“ Die Blicke des Pfarrers wurden noch
strenger und seine Augen sahen durch die Brillengläser noch größer aus. Das
Tatzensteckerl kam bedrohlich näher. Der G. Adolf, der die
richtige Antwort kannte, sah sofort die Möglichkeit sich am Hans für eine
andere Lumperei zu revanchieren und flüsterte ihm zu: „Der Heilige Geist ist
ein Israelit“
Jetzt war der Hans
erleichtert. Noch einmal nickte er ganz tief und wiederholte treuherzig:
„Der Heilige Geist ist ein Israelit“
Was dann weiter
geschah und wie der Unterricht weiterging wurde nicht überliefert, da die
Geschichte immer nur bis zu dieser Stelle erzählt wurde. Eines weiß ich
aber: Alle Kinder wurden am 15. Juni 1939 in Mallersdorf feierlich von
Bischof Michael Buchberger gefirmt. Es war eine schöne Firmung. Der liebe
Gott hat seine Schützlinge reichlich mit der Fülle des Heiligen Geistes
beschenkt. Aus allen wurden anständige Männer und Frauen. Zwei der einstigen
Lausbuben haben sogar studiert. Einer ist Pfarrer und der zweite sogar Weihbischof
geworden.
Der Soller Hans wurde ein tüchtiger Handwerker, der wegen seines Geschicks und seines Humors geschätzt und beliebt war. Leider wurde er 1994 mit 66 Jahren schon all zu früh in die Ewigkeit abberufen. Durch seine Geschichten, die noch oft in geselliger Runde erzählt werden, lebt er in unserer Erinnerung fort.